Wie begeistert sind manche Menschen, seitdem sie meinen, sie können rein körpersprachlich mit Hunden arbeiten und kommunizieren. Ach endlich keine Leckerchen mehr, einfach nur mit Hund hündisch kommunizieren. Hunde tun das ja auch so und dann können wir einfach und schnell mit Hunden verständlich körpersprachlich kommunizieren.
Es wurden und werden fremde Hunde in Räume oder umzäunte Wiesen gepfercht und man erklärt freudig die Absicht des jeweiligen Hundes. Da sieht man dann Hunde, die immer wieder andere Hunde blockieren, bedrohen und in die Schranken weisen und diese dann aufgaben und es wieder 'Frieden' herrscht.
Die Hunde jedoch lernen auf diese Art nur ihre feine und doch so leise und Konflikt vermeidende Körpersprache zu vergessen und nutzen die laute Aggression.
Trainer propagieren dann, dass Mensch ja auch Hunde frontal anspringen, anzischen und blockieren können, um Grenzen zu setzen. Der Hund scheinbar folgsam weicht dann zurück und unterbricht sein Verhalten. Wenn nicht, dann muss man eben noch einmal heftiger nachlangen. Besser einmal brutal und effektiv als immer mit Leckerchen um den Hund herumzutanzen und bestechen.
Doch vergisst man da nicht, dass wir Affen sind. Affen die immer frontal miteinander agieren. Haben sie da nicht vergessen oder verdrängt, dass Hunde genau das vermeiden. Gehen sie nicht Bögen, splitten sanft und seitlich stehend und vermeiden somit Frontalität, weil dies äußerst bedrohlich ist.
Eine kleine Anekdote über die Missverständnisse von Affen und Hunden. Wir umarmen uns gerne frontal. Habt ihr schon einmal gemerkt, dass eure Hunde dann dazwischen gehen. Keine Sorge, sie sind nicht eifersüchtig. Sie sehen eine frontale Umarmung als bedrohlich. Sie versuchen dann lediglich hündisch zu splitten. Wisst ihr, dass Hunden ein wichtiges Gelenk fehlt um sich gegenseitig zu umarmen. Habt ihr schon einmal einen fremden Hund umarmt?
Als junges Mädchen sah ich in Italien einen Hund am Wiesenrand sitzen. Schon immer beglückt vom Wesen Hund setzte mich zu ihm und seine Nicht Reaktion schien mir friedlich und ich umarmte ihn. Ich kann von Glück sagen, dass es gehemmte Aggression war und mich kein Gebiss mitten ins Gesicht traf. Meine Enttäuschung aber war riesig. Bitte entschuldige mein Unwissen. Ich habe hart daran gearbeitet es in Zukunft und jetzt besser zu tun.
Tatsächlich aber gibt es gewisse feine Gesten der Hundesprache, die man nutzen kann als Mensch hündisch mit ihnen zu kommunizieren, zum Beispiel, wenn man einem fremden Hund begegnet um etwa Hochspringen zu vermeiden:
man muss Hunde lesen können und vor dem Hochspringen wie in 2. agieren
Hund kommt auf euch zu, dann wendet euch leicht ab (das ist kein ignorieren sondern einfach hündisch nein sagen)
dann befriedige das Bedürfnis, welches diesem Verhalten zugrunde liegt (Bedürfnis nach menschlichem Kontakt). Das macht entweder der Halter oder wenn ok du.
Wenn das nicht klappt, dann ist das Bedürfnis nach menschlicher sozialer Nähe zu groß und das Fass schon übergelaufen.
Ein frontales Auftreten in der Begegnungssituation dagegen und womöglich noch Hochziehen eines Knies würde den Hund einschüchtern und wird vom Hund als Strafe empfunden.
Jegliche Art von Bedrohen und Verhaltensunterbrechern ist Gewalt dem Hund gegenüber. Ja jetzt kann man sagen, da passiert ja nichts. Doch eigentlich weiß doch ein jeder Mensch, dass Androhung von Gewalt minderst genauso aversiv empfunden wird wie direkte Gewalt.
Was ich hier beschreibe ist Wissenschaft und es ändert sich tagtäglich. Ein Beispiel hierzu ist zum Beispiel die Veränderung der Interpretation der Spielbeuge vom Hund. Hier wurde in den 90ern gesagt, dass diese bedeutet, ein Hund zeige damit, ich bin freundlich, lass uns spielen.
Das ist aber nicht immer der Fall. Es gibt Situationen in denen Hunde kurz das Spiel unterbrechen, und dann kommt diese Spielbeuge und es geht weiter. Man hat 2016 festgestellt, dass diese Spielbeuge auch einfach mal bedeutet: lass uns weiterspielen, weiter rennen, weiter jagen. Es ist also keine Botschaft von im Sinne ich will nur spielen und bin freundlich, sondern eine Mitteilung über eine Absicht. Daher ist es vom Menschen dem Hund gegenüber zu vermeiden diese Spielbeuge zu imitieren, denn es kann bedrohlich wirken frontal eine Absicht zu kommunizieren gegenüber einen Lebewesen, dem gerade gar nicht nach Kommunikation oder Interaktion ist. Dies zeigt eben, dass Wissenschaft im Fluss ist und sich ständig ändert.
Hier im Video zeigt Ennah diese Beuge mit Intention. Sie möchte, das Janne mit ihr rennt.
Es ist daher besonders ärgerlich und Hunde verachtend, wenn Menschen behaupten, sie haben seit vielen Jahren Hunde und kennen Hunde und wissen auch daher, was diese denken und fühlen.
Nein es gibt immer wieder neue Studien und Ergebnisse, die uns das faszinierende Wesen Hund näher bringen. Aber wir sind erst am Anfang.
In der Schweiz gibt es ein laufendes Projekt, das Künstliche Intelligenz verwendet, um das Verhalten von Hunden durch Videoaufnahmen zu analysieren. Dieses Projekt nutzt fortschrittliche KI- und Computer-Vision-Technologien, um die Beobachtung und das Verständnis des Verhaltens von Hunden zu automatisieren, was Einblicke in die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere bietet.
Das Projekt umfasst die Sammlung und Vorverarbeitung von Videodaten, gefolgt von Objekterkennungstechniken, um die Hunde vom Hintergrund zu isolieren. Die Verhaltensanalyse wird mit Hilfe von Modellen durchgeführt, die sowohl das Aussehen als auch die Bewegungen der Hunde analysieren. Der letzte Schritt beinhaltet die Zusammenfassung und Visualisierung der Verhaltensdaten, um Haustierbesitzern und Forschern zu helfen, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Hunde zu bewerten und zu verstehen.
Wir können also noch längst nicht alles lesen und über Hundeverhalten wissen. Vor allen Dingen nicht nur aus eigener Erfahrung. Lasst euch da nichts einreden. Es ist alles erst im Anfang.
Aber noch einmal die Mär vom korrigierenden aggressiv drohenden Hund, ist falsch. In unserer Anwesenheit lebende und aversiv blockierte Hunde werden aggressiv oder zeigen andere Verhaltensprobleme.
Hunde, die frei in ihren Entscheidungen sind und ihr Leben leben, zeigen nur Aggression bei sexueller Konkurrenz und in Knappheit von Futter. Das gibt es bei Menschen auch.
Zum Beispiel zeigte eine Forschung über Straßenhunde in Indien, dass diese Hunde einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, sich auszuruhen und auf stressfreie Weise zu sozialisieren. Sie genießen Autonomie, indem sie ihre eigenen Aktivitäten, Partner und sozialen Interaktionen wählen. Im Gegensatz dazu erleben unsere Haushunde, obwohl sie regelmäßig gefüttert werden und medizinische Versorgung erhalten, oft Einschränkungen und Stress aufgrund von Enge und von Menschen auferlegten Routinen.
Daher ist tatsächlich Aggression keine übliche Kommunikation unter Hunden, wenn man die Hunde betrachtet, die möglichst frei ohne viel menschlichen Einfluss leben. Vergesst das einfach ganz schnell. Es ist kein Grund über das Argument Grenzen setzen seinem Hund Gewalt anzutun. Hunde machen das nicht PUNKT. Frontales und jegliches Blockieren ist Gewalt antun aus Sicht der Hunde. Affen und Menschen drohen frontal. Hundesprache ist nicht so simpel.
Wenn jetzt aber ein letzter Ungläubiger sagt, das Blockieren von Hunden wirkt doch. Ja aber wo. Es wirkt bei dir. Du wirst belohnt indem das Verhalten des Hundes kurz unterbunden wurde. Du musst es aber immer wieder unterbinden und immer wieder zerstörst du damit das Vertrauen deines Hundes in dich. Denn wenn er verstanden hätte, was du willst, würde er es ja unterlassen. Langfristig klappt das nicht. Ein Hund der ein inneres Bedürfnis hat zu rennen, muss irgendwann rennen.
Oha aber guck doch mal die ganzen so korrigiert erzogenen Hunde an. Die laufen doch immer ganz nah beim Menschen und kleben wie eine Traube an ihm. Ist das nicht toll. Wird dann noch gesagt. Nein. Erstens erkennt ein Profi anhand der Körpersprache der Hunde einen klar unsicher gebundenen Hund. Das gibt es leider auch bei Menschenkindern. Ein Kind welches mal unerwartet Gewalt angedroht bekommt und mal unerwartet liebkost wird empfindet eine unsichere Bindung und hängt trotzdem sehr an diesem Menschen. Diese Unsicherheit um den unberechenbaren Wechsel von Gewalt und Zuwendung bindet diese Kinder und Hunde an ihre Menschen. Angedrohte Gewalt findet durch Blockieren statt und dann wird wieder auch der Couch gekuschelt. Hunde, die in solch sozial instabilen Umgebungen leben, suchen oft nach einer stabilen Quelle der Sicherheit, was zu übermäßiger Anhänglichkeit führen kann . Zudem Hunde und Kinder so sehr nach sozialem Kontakt dursten. Wo sollen sie denn auch hin. Haben sie eine Wahl? Nein.
Trainer die Leckerchen wie die Pest vermeiden und sich lustig darüber machen, trumpfen ja immer damit auf, dass soziale Belohnung so viel mehr wert für Hund ist. Ja das ist in ihrem Fall so, da die soziale Zuwendung als Belohnung verwendet wird. Aber soziale Zuwendung sollte unter hochsozialen Lebewesen umsonst zur Verfügung stehen. Das ist emotionaler Missbrauch. Tatsächlich gibt es auch eine Studie die besagt, das soziale Zuwendung vom Hund meist als belohnend empfunden wird, sie aber in vielen Situationen Leckerchen dem Streicheln vorziehen.
Zudem ist bei Erfüllung der Bedürfnisse der Hunde in menschenmöglichen Rahmen nur noch wenig Training nötig. Das aber natürlich nur zusammen mit einem lernbereiten Hund in möglichst positiver Form aus Sicht des Hundes.
Ich verfolge mit großer Freude diese neue Entwicklung und hoffe, dass es im Sinne der Hunde zu ganz vielen neuen und spannenden Erkenntnissen kommt. Ich habe mich noch nie damit wohl gefühlt einem Hund zu sagen, was er zu tun hat und damit Macht über ein Wesen auszuüben und das auch noch mit Gewalt oder dessen Androhung.
Wir müssen endlich Hunde sehen lernen in ihren Bedürfnissen und Emotionen.
Wie ich diese Kenntnisse in den Kursen anwende und wie wir sie zum Miteinander mit Hund nutzen können, zeige ich euch gerne.
Andrea Jumpertz (Tierpsychologin ATN)
Referenzen
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Byosiere, S. E. et al. Investigating the function of play bows in adult pet dogs Behavioural Processes 125, 106-113.
Anderson, P. (2016). "Understanding the role of trauma bonding in the cycle of violence."
Feuerbacher, E. N., & Wynne, C. D. L. (2014). Most domestic dogs (Canis lupus familiaris) prefer food to petting: context, schedule, and population differences in a concurrent choice. Journal of the Experimental Analysis of Behavior, 101, 385-405.
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